Am 13. Juni 2021 stimmen wir über zwei Initiativen ab, welche für die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft weitreichende Folgen haben könnte. Es handelt sich um folgende Volksbegehren.
Wenn man nur die Titel der beiden Initiativen liest, gerät man bald einmal ins Grübeln. Wer ist denn nicht für sauberes Trinkwasser? Und wer möchte nicht auf synthetische Pestizide verzichten? Beim genaueren Hinschauen merken wir aber bald, dass es sich zum einen bei den süffigen Titeln um einen Etikettenschwindel handelt. Und dass die beiden Vorhaben zumindest zum Teil regelrecht kontraproduktiv sein könnten.
Gemeinsam ist beiden Initiativen, dass sie unter dem Vorwand des Trinkwasser- und Gewässerschutzes die Verwendung von sogenannt "synthetischen Pestiziden" in der Landwirtschaft entweder verbieten (Pestizidinitiative) oder keine Direktzahlungen mehr dafür ausrichten möchten (Trinkwasserinitiative). Die Trinkwasserinitiative fordert zudem, dass man auch Betrieben, welche zur Fütterung ihrer Tiere hofremdes Futter zukaufen oder für die medizinische Versorgung ihrer Tiere Antibiotika einsetzen, keine Direktzahlungen mehr geben dürfe.
Beide Initiativen sind klar abzulehnen. Dies aus folgenden Gründen:
1. Die Forderung nach sauberem Trinkwasser ist längst erfüllt. Schon heute sind die rechtlichen Anforderungen an das Trinkwasser durch eine Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen definiert. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) schreibt auf seiner Website lapidar: "Das Trinkwasser in der Schweiz ist von guter Qualität."
Dass es überhaupt eine Diskussion über diesen Punkt gibt, liegt hauptsächlich am Pflanzenschutzmittel "Chlorothalonil". Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat daher Einsatz von Chlorothalonil mit Wirkung auf den 1. Januar 2020 verboten. Die Initiative ist also hier vorab Vergangenheitsbewältigung.
Zudem ist der Grenzwert von 0.1 Mikrogramm pro Liter eigentlich lächerlich. Ein Zehntel Mikrogramm auf 1 kg Wasser sind 0,0000000001 Prozent. Zum Vergleich - das entspricht 1 mm in 10'000 km. Diese Grenzwerte erlauben per se keine Aussage darüber, ob eine Überschreitung dieser Grenzwerte zu Gesundheitsschäden führt, weil der Grenzwert nicht aus Gesundheitsdaten abgeleitet wurde. Für Chlorothalonil gilt eine lebenslängliche Tagesdosis von 15 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht als unbedenklich. Um diese Dosis zu erreichen, müsste man beim Grenzwert also täglich 150 Liter Wasser pro Kilo Körpergewicht trinken.
2. Der Verzicht auf sämtliche Pflanzenschutzmittel ist extrem und nicht zielführend. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wird in der Schweiz sehr streng geregelt und kontrolliert. Bedenkliche Pflanzenschutzmittel werden vom Markt genommen oder gar nicht erst zugelassen. Zudem gibt es ja auch gute Gründe für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Nicht nur die Erträge der Lebensmittel werden besser, sondern auch deren Qualität. Vergessen wir nicht: Dass der Hunger in vielen Ländern der Welt eingedämmt werden konnte, ist auch dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Kunstdünger geschuldet.
Und was würde passieren, wenn die Pestizidinitiative, welche ein Verbot fordert, doch angenommen würden? Die Lebensmittelproduktion in der Schweiz würde sinken. Die Importe steigen. Importe aus Ländern, welche kaum die hohen Standards bezüglich Einsatz von Pflanzenschutzmitteln haben wie die Schweiz. Ein Verbot könnte zum Bumerang werden.
Bei der Trinkwasserinitiative wird kein Verbot, aber die Abschaffung von Direktzahlungen an Betriebe gefordert, welche "Pestizide" einsetzen, wie es im Initiativtext so schön heisst. Auch das ist ein Bumerang. Und zwar gleich ein Doppelter: Warum?
Bumerang Nr. 1: Gerade Gemüse- und Ackerbaubetriebe haben verhältnismässig niedrige Direktzahlungen. Und die könnten in Versuchung geraten, auf diese zu verzichten und stattdessen ihre Produktion eher noch zu intensivieren.
Bumerang Nr 2: Die Formulierung in der Initiative ist so ungeschickt gewählt, dass selbst Biobetriebe ein Problem mit der Umsetzung haben. Tatsache ist nämlich, dass auch Biobetriebe Pestizide einsetzen – insbesondere Kupferprodukte gegen Pilzkrankheiten und gegen Schädlinge das Insektizid Spinosad. Deshalb hat Bio Suisse keine Ja-Parole gefasst. Und einige grüne Politikerinnen mit Landwirtschaftshintergrund wie etwa Nationalrätin Christine Badertscher (Grüne, BE) sind sogar öffentlich gegen die Initiative.
3. Schliesslich ist namentlich in der Trinkwasserinitiative auch das Verbot für das Verfüttern von hofremdem Futter ein Problem. Selbstverständlich betreffen diese Einschränkungen auch die ÖLN-Betriebe. Aber eben nicht nur. Betroffen wäre explizit auch die Bioproduktion. Nach Annahme der Initiative gäbe es vermutlich praktisch keine Schweizer Bio-Poulets, Bio-Eier oder Bio-Schweine mehr. Denn diese sind stark auf betriebsfremdes Futtermittel angewiesen, das sie selber kaum produzieren können. Auch für Bio-Milchwirtschaftsbetriebe ist die Initiative problematisch. Es muss nur einmal ein schlechte Ernte geben und die Bio-Kühe müssten hungern. Weil eben der Zukauf von betriebsfremdem Futter verboten, bzw. den Entzug der Direktzahlungen zur Folge hätte.
Fazit: Trinkwasser- und Pestizidinitiative sind unnötig, betreiben Etikettenschwindel, schaden auch der Bio-Landwirtschaft und könnten gar zum mehrfachen Bumerang werden. Deshalb sind beide am 13. Juni 2021 glasklar abzulehnen.