Die «Initiative für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» (Pestizidinitiative) und noch mehr die «Initiative Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung – Keine Subventionen für den Pestizid- und den prophylaktischen Antibiotika-Einsatz» (Trinkwasserinitiative) bewegen die Gemüter. Erfreulich daran ist, dass die Landwirte, welche sonst heute weniger politisch sind als früher, sich wieder einmal wirklich für ein politisches Thema interessieren.
Weniger erfreulich ist, was tagtäglich geschrieben und gesendet wird. Dass so viele Journalisten, aber auch ganz viele Menschen sonst, welche sich auf irgendwelchen Diskussionsforen oder in den Leserbriefspalten äussern, so wenig Ahnung von Botanik, bzw. von Landwirtschaft haben, das stimmt einen manchmal traurig, manchmal aber auch wütend!
Warum ist das so? Vermutlich hat Bundespräsident Guy Parmelin es genau richtig erkannt: «Früher kannte jeder von uns einen Landwirt. Der Grossvater bauerte oder der Onkel – oder man verbrachte die Ferien auf dem Bauernhof. Heute haben viele diesen Bezug verloren.» So liess er sich kürzlich im «Blick» zitieren. Und der Bundespräsident doppelt nach: «Nur die Landwirtschaft in die Pflicht zu nehmen, ist übrigens zu kurz gedacht. Die Konsumentinnen und Konsumenten müssten auch ihr Einkaufsverhalten ändern! Damit könnte man schon viel verbessern.»
Wo Parmelin Recht hat, da hat er Recht. Genau das hab ich mir gedacht, als ich kürzlich mal wieder in eine Filiale des Grossverteilers mit dem grossen M im Logo schritt. Der Grossverteiler, der gerne Propaganda mit «Aus der Region, für die Region!» macht. Als Spargelliebhaber hab ich mir mal das diesbezügliche Angebot angeschaut. Nichts da mit «Aus der Region, für die Region!». Ausser, wir zählen das deutsche Bundesland Baden-Würtemberg, Italien und Südspanien dazu.
Ja, die «Mini-Spargeln» stammen sogar entweder aus Thailand oder Peru. Immerhin hat also wohl die Swiss etwas dabei verdient. Und viel CO-2 produziert. Nicht grün, nicht weiss: Trotz Spargelsaison hatte es kein einziges Angebot mit Schweizer Spargeln. Ach ja: Damit es noch erwähnt ist: Die Budget-Butter im gleichen Laden stammt neuerdings aus Belgien. Aber auch die kauft ja wohl jemand.
Gleich vis-à-vis vom Import-Spargeltisch eine Kühltruhe mit Beeren aller Sorten. Besser nicht grübeln, wo die her kommen! Ich hab mir die recht zahlreichen Käufer in der Filiale angeschaut. Und hab mir überlegt, wer von denen wohl für die Trinkwasser- oder die Pestizidinitiative stimmt. Zumindest von den Spargelliebhabern unter den M-Kunden offenbar niemand. Denn anders könnte ich es mir nicht erklären, warum jemand auf der einen Seite mit dem Lastwagen importierte, konventionelle Spargeln aus Südspanien kauft, während in der Schweiz auch Spargeln wachsen. Und dann am 13. Juni für eine dieser Initiativen stimmen könnte.
Aber genau das wird passieren! Konsumenten, welche am 13. Juni für diese grünen Initiativen stimmen werden, werden dann am Mittag Spargeln aus Südspanien essen. Und das sind nicht Einzelfälle. Können es nicht sein. Das zeigt einfach schon die Schieflage zwischen dem Warenangebot in den Grossverteilern auf der einen und dem Stimmverhalten auf der anderen Seite. Zwischen grünen Wählern und wirklich grünen Konsumenten klafft eine zweistellige Prozentzahl.
Das ist die Realität. Und genau das hat Bundespräsident Parmelin gemeint: Die meisten Städter haben keine Ahnung mehr von Landwirtschaft mehr. Denn sonst wüssten sie, was wann hier in der Schweiz Saison ist. Und würden - wenn hier der Spargel wächst - auch Schweizer Spargel kaufen. Das sind die gleichen Leute, welche es ganz schlimm finden, wenn man den Milchkühen die Kälber nach der Geburt wegnimmt. Aber sich zum Beispiel noch nie überlegt haben, was das Lebensmittelrecht dazu sagt.
Die gleichen Leute duschen am Morgen mit Haarschampo voller Mikroverunreinigungen und giftigen chemischen Substanzen. Sie trinken Kaffee aus ökologisch äusserst fragwürdigen Wegwerfkapseln. Ältere Menschen schlucken dann irgendwelche Blutdrucksenker. Frauen im gebärfähigen Alter die Anti-Baby-Pille. Sie putzen ihre Zähne mit Zahnpasta, in der Weiss-nicht-Was drin steckt. Sie fahren im Zug zur Arbeit, dessen Schotterbett mit Glyphosat gespritzt wird, damit das Unkraut keine Chance hat. Sie verwenden in ihrer Freizeit für ihre Hobbies unzählige Chemikalien wie Farben, Klebstoffe oder auch irgendwelche Sportgeräte, die heute meist ebenfalls aus künstlichen chemischen Verbindungen bestehen.
All diese Medikamente, Hygieneprodukte, Sonnencrèmes und so weiter, und so fort landen früher oder später in der Kläranlage, wo sie aber nur zum Teil aus dem Wasser gefiltert werden können. Mit gigantischem Aufwand übrigens. Es sind die gleichen Leute, welche gleichzeitig von den Bauern verlangen, heute noch wie zu Gotthelfs Zeiten zu arbeiten. Ich schlage dem Bauernverband vor, mal den Spiess umzudrehen. Und eine Initiative zu lancieren, dass alle Menschen auf sämtliche synthetischen Produkte und Verbindungen in ihrem Alltag verzichten sollten. Und nur noch Produkte vom Ballenberg verwenden sollten.