Manchmal kommen mir die Bürger, die wie ich ausserhalb der Städte wohnen, ein wenig wie die Indianer in Nordamerika vor: So lange wir uns in unseren Reservaten still halten, werden wir als romantisches Überbleibsel früherer Zeiten toleriert. Wehe aber, wenn wir etwas verändern, etwas erwirtschaften, etwas bewegen wollen! Namentlich das Bauen im ländlichen Raum ist ein reiner Gnadenakt der Behörden geworden. Ein Gnadenakt, der allerdings eher selten gewährt wird.
Keine Gnade fanden Monika und Hans-Peter Guggisberg aus Schüpfen. "Die Wohnung muss weg", titelt die "Berner Zeitung" diesen Freitag. Guggisbergs müssen eine Wohnung entfernen, die bereits Guggisbergs Vater in den Achtzigerjahren errichtet hatte.
Gemäss Berner Zeitung fand 2001 eine gewöhnliche Bauabnahme durch die Gemeinde statt, bei der die Wohnung abgenommen wurde. Nun behaupten aber offenbar sowohl das Amt für Gemeinden und Raumordnung (AGR) wie die Gemeinde Schüpfen: Die Wohnung sei nie bewilligt worden und sei weder für den Betrieb nötig noch zonenkonform. Deshalb müssen nun Guggisbergs die Wohnung zurückbauen und zudem Kosten von gegen 20'000 Franken für den Anwalt und andere Gebühren bezahlen.
Guggisbergs sind kein Einzelfall. Immer wieder geben ähnliche Beispiele zu reden. Bauen ausserhalb der Bauzone ist zu einem Spiessrutenlauf geworden. Häufigster Konfliktpunkt: Aufgrund des Strukturwandels werden Ställe und andere Ökonomiegebäude aufgegeben. Eigentlich würde es auf der Hand liegen, dass man diese ja bereits bestehenden Gebäude für die Wohnnutzung ausbauen würde. Der Boden ist ja ohnehin versiegelt. Die Gebäude dienen meistens nur noch als Abstellraum.
Bauen ausserhalb der Bauzone ist zu einem Spiessrutenlauf geworden.
Doch eine übertriebene Gesetzgebung, aber auch eine immer rigider werdende Bewilligungspraxis verunmöglichen häufig eine solche Umnutzung. Die besten Karten haben noch Landwirtschaftsbetriebe, welche gross genug sind, damit sie als bäuerliches Gewerbe gelten. Diese dürfen - bei allerdings restriktiven - Vorgaben zumindest als Betriebsleiterwohnung oder - noch häufiger - fürs Altenteil (Stöckli) manchmal solche Gebäude ausbauen. Aber auch hier ist der Spielraum auf genau vordefinierte Quadratmeter festgelegt. In vielen anderen Fällen ist eine Umnutzung gar nicht möglich.
Ebenso häufig Probleme bieten gewerbliche Tätigkeiten in der Landwirtschaftszone. Das ist gerade auch in meiner Region ein grosses Problem. Tatsache ist, dass früher fast alle Leute in der Landwirtschaft tätig waren. Die meisten Gewerbebetriebe sind deshalb ursprünglich aus und auf Landwirtschaftsbetrieben entstanden. Und teilweise sind sie noch heute dort. Und deshalb kommt es hier regelmässig zu Konflikten mit den Behörden.
Die gleichen kantonalen Behörden, welche von den Gewerblern verlangen, sich in der Gewerbezone niederzulassen, verbieten die Einrichtung von Gewerbezonen!
Natürlich ist es nicht ideal, wenn etwa Baugeschäfte irgendwo in der Landwirtschaftszone ihre Bagger und anderen Maschinen zu stehen haben. Die Ämter argumentieren denn auch, dass diese Betriebe in die Gewerbezone gehörten. Das ist an und für sich korrekt. Aber das Dumme ist nur: Es gibt so gut wie keine Gewerbezonen in unserer Region. Und die wenigen bestehenden sind bereits genutzt. Und obschon die Gemeinden bei den periodischen Ortsplanungsrevisionen versuchen, neue Gewerbezonen auszuscheiden, werden sie hierbei wiederum vom Kanton zurück gepfiffen. Die gleichen kantonalen Behörden, welche von den Gewerblern verlangen, sich in der Gewerbezone niederzulassen, verbieten die Einrichtung von Gewerbezonen!
Deshalb gibt es im Zulgtal eine Reihe von wirtschaftlich an und für sich erfolgreichen Unternehmungen namentlich aus der Bau- und der Lebensmittelbranche, welche in beengten Verhältnissen in nicht-zonenkonformen Gebäulichkeiten arbeiten müssen, weil es für sie keine Gewerbezonen gibt. Die wirklich einzige Alternative wäre ein Wegzug nach Steffisburg oder Thun. Für eine Käserei etwa, welche AOP-Käse herstellt, ist das aber keine Option. Denn der Käse muss ja regional hergestellt werden.
Für die ländlichen Regionen wird es also immer schwieriger, sich überhaupt noch zu entwickeln. Sie werden immer mehr ins Abseits gedrängt. Entwicklung soll nur noch in den Städten und den Agglomerationen stattfinden. Dafür gibt es leider starke politische Mehrheiten. Den Städten und Agglomerationen wird im Kantonalen Richtplan ein Wachstum von bis zu 12 Prozent zugestanden, während sich Land- und Berggemeinden mit 1 bis 4 Prozent begnügen müssen. Anträge und Vorstösse von uns aus den Reihen der SVP werden von der Mitte-Links-Mehrheit im Grossen Rat leider immer wieder zurückgewiesen.
Für die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch die Stärkung der Finanzkraft der ländlichen Gemeinden wäre dies aber unabdingbar. Vor allem gilt das für Gemeinden und Regionen, welche an und für sich wirtschaftlich schon gut unterwegs sind, denen aber durch die restriktive Raumplanung immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. Allen voran ist hier die Gemeinde Saanen zu erwähnen, welche mittlerweile am meisten Geld pro Einwohner in den kantonalen Finanzausgleich bezahlt.
Es muss endlich ein Ruck durch die ländlichen Gebiete gehen!
Leider liegt die Stimm- und Wahlbeteiligung in den ländlichen Gemeinden meist deutlich unter derjenigen in der Stadt Bern. Die Folge ist klar: Viele Abstimmungen und Wahlen, welche den ländlichen Raum wieder etwas stärken würden, gehen knapp verloren. Deshalb muss endlich ein Ruck durch die ländlichen Gebiete gehen! Sonst besteht der Kanton bald einmal nur noch aus Biel, Burgdorf, Bern, Thun und Interlaken. Und einem grossen Reservat, in dem die wenigen verbliebenen Ureinwohner vor der Zwangsräumung ihrer nicht oder nicht mehr bewilligten Häuser zueinander sagen: "Hätten wir uns doch nur gewehrt, als es noch möglich war!"